Diese Internationale Bauausstellung hat es Niemanden leicht gemacht. Nicht den Wilhelmsburgern, die durch den rasanten Umbau ihres Stadtteils verunsichert wurden. Nicht den Politikern, die sich Vorwürfen erwehren mussten, sich handelten gegen die Interessen der Wilhelmsburger und förderten die Gentrifizierung. Nicht den Journalisten, die von Theorieüberbau und Themenvielfalt überfordert waren. Nicht den Architekten, die sich manches Mal zwischen IBA, Bauherren und Nutzern zerrieben fühlten. Und auch nicht den IBA-Verantwortlichen, die sich des Öfteren in der unkomfortablen Position zwischen allen Stühlen befanden. Nun, da wieder Normalität in Wilhelmsburg einkehrt, wird man nüchtern resümieren können, was tatsächlich für die Elbinsel erreicht wurde.
Weg vom
Architekturzoo
Massiv wurde moniert, die IBA in Wilhelmsburg sei gar keine Bauausstellung
im eigentlichen Sinne gewesen, da sie sich doch vorwiegend um Stadtentwicklung
und Stadtplanung kümmere. Es ist dies eine sehr geschichtsvergessene
Sichtweise, denn Charakter und die Zielsetzung der Internationalen Bauausstellungen
haben sich bereits in den 1980er Jahren, genauer seit der „Altbau-IBA“ 1984-87 in
Berlin gewandelt. Mit deren Leitbildern der „behutsamen Stadterneuerung“ und
der „kritischen Rekonstruktion“ wurde ein auch architektonischer, vor allem
aber städtebaulicher und planerischer Paradigmenwechsel eingeleitet, der noch
heute bedeutsam ist. Und auch die IBA Emscher Park (1989-99), war weniger ein
Architekturzoo als ein Mittel zum tiefgreifenden Strukturwandel einer ganzen Industrieregion.
Dennoch, oder vielmehr gerade deshalb wurde sie in ihrer Wirkung als außerordentlicher
Erfolg gefeiert – soziale, wirtschaftliche und stadtplanerische Fragen lassen
sich nun einmal kaum mit Architektur allein beantworten. Die IBA in
Wilhelmsburg hat vergleichsweise wenige architektonische Höhepunkte entwickelt,
aber dafür Kräfte freigesetzt und Veränderungen ermöglicht, Allianzen
geschmiedet und bürokratische Hemmnisse beseitigt – zum Wohle der Elbinsel.
Vieles, was jetzt erreicht oder angeschoben wurde, beruht auf Forderungen der
Wilhelmsburger, wie sie einst im Weissbuch Zukunft Elbinsel niedergeschrieben
wurden.
Zentrale Achse von der BSU in den neuen Inselpark, ganz rechts: das Wälderhaus |
Architektur als Opfer
von Stadtentwicklung?
Ist durch die Fokussierung auf Stadtentwicklung und -planung
die Architektur und der Städtebau unwichtig geworden, nur noch Mittel zum Zweck?
Architekt Matthias Sauerbruch schrieb in der Wochenzeitung „Der Freitag“ über
die Neue Mitte Wilhelmburg: „Im Augenblick scheint sie in erster Linie als
Projektionsfläche guter Absichten zu dienen, Selbstversicherung einer
Planer-Generation, die beim Gang durch die Institutionen recht sesshaft
geworden ist.“ Sauerbruch kritisiert, alles sei „kleinteilig und so vielfältig,
dass eine übergreifende Botschaft nicht auszumachen“ sei, die Musterausstellung
wäre zwar „prinzipiell interessant, in einigen Fällen auch schön anzusehen,
aber „eine Stadt ist hier nicht entstanden.“ Architektur sei „aus Sicht der
Macher austauschbar“. Und Andreas Denk bemängelt in „Der Architekt“: Die
Qualität der Architektur werde nicht thematisiert; die Neubauten seien bis auf
wenige Ausnahmen „höchstens architektonische Mittelklasse ohne Risiko“. Sein
Fazit: „Die politische Korrektheit, die das gesamte Projekt durchflutet –
Multikulti, Energiewende, Metrozone – verfasst den Raum der Stadt als
sozio-ökologische Notwendigkeit und lässt das architektonische Experiment als
Einzelerscheinung zu, bestimmt es aber im Meer der „Maßnahmen“ und
„Interventionen“ von vornherein als Marginalie – und damit als schad- und
wirkungslos.“ Abgesehen von der völlig unangebrachten Polemik in Sachen
„politische Korrektheit“ und „Multikulti“, mit der Denk die Bemühungen um ein
besseres Miteinander und stärkere gesellschaftliche Teilhabe der Menschen aus
über 100 Nationen diffamiert: Ist es denn tatsächlich so, dass in Wilhelmsburg
Architektur und Städtebau als Träger von Innovationen zugunsten der
Stadtentwicklung geopfert wurden?
Eine halbe Mitte
Nun, das Bild ist erheblich vielschichtiger als es die
Vereinfacher weißmachen wollen – man nehme nur das neue Zentrum, die
„Wilhelmsburger Mitte“ an der S-Bahnhaltestelle Wilhelmsburg. Natürlich: Der dort
aufragende Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (Entwurf:
Sauerbruch Hutton) ist architektonisch keine Offenbarung: Zu sehr ähnelt der
Verwaltungsbau mit seiner buntgescheckten Keramikfassade dem Umweltbundesamt in
Dessau, zu plakativ ist die Geste der vor- und zurückschwingenden
Gebäudeflügel, zu konventionell ist das Innere mit seinen Einzelbürozellen. Städtebaulich
macht das Ensemble aus Hochhaus und zwei Flügelbauten durchaus Sinn, weil es
ein Entree und Raumkanten bildet. Und das eine große Behörde nach Wilhelmsburg
verlegt wird und so 1.400 Arbeitsplätze und eine zusätzliche Nachfrage nach
Waren, Dienstleistungen und auch Wohnungen in den wirtschaftlich schwachen
Stadtteil bringt, ist letztlich höher zu bewerten als eine mittelmäßige
Architektur. Demgegenüber ist die Bebauung auf der anderen Seite der Neuenfelder
Straße entlang des Bahngrabens mit Ärztehaus, „Inselakademie“, Wohnhäusern und
Altenheim zu kleinteilig und brav geraten. Einzig das „Wälderhaus“, ein
Ausstellungs- und Tagungszentrum mit Hotel des Architekten Andreas Heller für
die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, sticht heraus. Das Thema Wald wird schon
außen zeichenhaft durch eine mäandrierende, unbehandelte Lärchenholzfassade
betont, in deren Nischen sich genauso wie auf dem begrünten Dach Flora und
Fauna ansiedeln – das Haus als Biotop – übrigens auch im Inneren, denn der
Hotel-Aufbau wurde komplett aus Massivholz errichtet, was ihm eine
außerordentliche Behaglichkeit verleiht. Städtebaulich wurde durch die
angedeutete halboffene Blockstruktur und die Nutzung der Erdgeschosse für den
Einzelhandel durchaus eine urbane Figur gewählt, die jedoch darunter leidet,
dass sie durch einen Grünstreifen und ein sakrosanktes Einfamilienhaus aus der
Prä-IBA-Zeit vom anderen Teil der neuen „Mitte“ – der sogenannten
„Bauausstellung in der Bauausstellung“ – abgetrennt bleibt.
Anspruch verfehlt? Die "Bauausstellung in der Bauausstellung" mit "Case Study Houses des 21. Jahrhunderts" |
Prototypen zwischen
Anspruch und Wirklichkeit
Dort ist der Name Programm: In diesem „Herzstück“ will die
IBA „Case Study Houses des 21. Jahrhunderts“ zeigen, Prototypen also, die zeigen,
„wie wir in Zukunft bauen und wohnen“. Vier Themenfelder hat man identifiziert:
Smart Material Houses (deren „intelligente Baustoffe“, das Gebäude auf
Veränderungen reagieren lassen), Smart Price Houses (die kostengünstig
anspruchsvollen Wohnraum schaffen), Hybrid Houses (langlebig dank Flexibilität
und Nutzungsmischung) und die von Schenk Waiblinger entworfenen Water Houses in
einem Regenwasser-Rückhaltebecken. Es ist dies eine Musterhaussiedlung, in der
die Mehrfamilienhäuser entsprechend ihres Themas hintereinander aufgereiht
stehen mit kleinen Vorgärtchen, etwas Wiese und einer Art Dorfanger drumherum.
Wohlwollend könnte man sagen, dass der Städtebau nicht von den Gebäuden
ablenkt. Offenbar bezogen die Masterplaner Jo Coenen & Co und agence ter die
Siedlung auf den angrenzenden Inselpark, denn es sollte eine räumliche
Verzahnung zwischen IGS und IBA erreicht werden. So ist statt eines quirligen
Zentrums eine beschauliche Wohnidylle entstanden, die eher an das
Stadtrandlagen erinnert. Was nicht gegen die Gebäude selbst spricht, von denen einige
das Interesse wecken. Im Bereich der Smart Material Houses ist das „BIQ“
(Splitterwerk mit Arup GmbH, B+G Ingenieure und Immosolar) in aller Munde ,
weil die vorgehängte Glaselementfassade, in der Mikroalgen wachsen, die
Erzeugung regenerativer Energie besonders anschaulich macht. Das Ganze wirkt
jedoch gestalterisch unausgereift, umso mehr, als die anderen Hausseiten lieblos
in Dämmungen eingepackt wurden.
Wie komplexe Technik für ein energieerzeugendes
Gebäude besser integriert werden kann zeigt „Smart ist Grün“(Zillerplus
Architekten) mit seinem System aus Photovoltaik und Solarthermie,
Isolierverglasungen sowie wärmespeichernden PCM-Vorhängen. Die Wohneinheiten im
Inneren sind zudem teil- als auch erweiterbar. Der Woodcube (architekturagentur,
nach einem Entwurf von IfuH Institut für urbanen Holzbau) nebenan überzeugt durch
den konsequenten Einsatz von Holz als Baumaterial: Fassaden, Decken und Wände
bestehen aus einer Massivholzkonstruktion, die frei von Leim, Lack und
Holzschutzmitteln ist – ein angemessenes Ambiente für Lohas, CO2-neutral und
recyclingfähig. Von den drei Hybrid Houses seien zwei genannt: Die „Hybride
Erschließung“ von Bieling Architekten soll das Nebeneinander von Wohn- und
Arbeitseinheiten mittels getrennter Erschließungen über ein Schachteltreppenhaus
ermöglichen mit dem Effekt, dass sich die Nutzer der Wohnungen und Büros nirgendwo
begegnen. Das „Hybrid House“ (beruhend auf einem Konzept für ein
Vier-Richtungs-Haus von Brandlhuber und NiehüserS, Ausführung: KPW), besticht
durch die Idee, in Maisonettewohnungen mittels unterschiedlicher Ausrichtung der
Ebenen Licht aus allen Himmelsrichtungen einzufangen.
Angesichts des in vielen
Städten immensen Bedarfs an bezahlbaren und dennoch nicht ärmlichen Wohnraum
sind die Smart Price Houses von besonderem Interesse: Sehenswert ist, wie Fusi
& Ammann Architekten mit dem „Case Study #1“ ein durch Modulbauweise und hohen
Vorfertigungsgrad kostengünstiges Fertighaussystem entworfen haben, dass sich
als freistehendes Stadthaus, Reihenhaus oder Blockrandbebauung einsetzen lässt.
Auch das hölzerne „Case Study Hamburg“ (planpark Architekten, Entwurf: Adjaye
Associates) erreicht durch einen hohen Vorfertigungsgrad eine Senkung der
Baukosten. Da die einzelnen Module horizontal und vertikal miteinander
verbunden werden können bieten die Grundrisse eine größtmögliche Flexibilität. Der
„Grundbau & Siedler“ (BeL Sozietät für Architektur) fällt sicherlich am
stärksten aus dem Rahmen des Üblichen, denn hier stand der Selbstbaugedanke im
Vordergrund. Zunächst wurde nur der Grundbau aus Decken, Stützen und Kern
erstellt. Im zweiten Schritt können die Bewohner, ausgerüstet mit einem
Handbuch, ihre Wohnungen individuell errichten – selbst die Lage der Außenwände
ist nicht vorgegeben. Die Kombination aus Vorfertigung und Selbstbau spart
Kosten und lässt gestalterische Freiheiten – die, dem überaus gesitteten
Äußeren nach zu urteilen, kaum ausgeschöpft wurden. Nicht nur hier ahnt man,
dass in der „Bauausstellung in der Bauausstellung“ manches nicht so lief wie gedacht.
Einer der Gründe ist im ungewöhnlichen Verfahren zu suchen: Zunächst reichten
im Rahmen von Ideenwettbewerben Architekten Vorschläge ein, für die sie (oder
die IBA) anschließend Bauherren suchte. Auf deren Wunsch hin wurden viele
Entwürfe stark überarbeitet, manchmal kam auch nicht der ursprüngliche
Architekt zum Zuge, sondern ein anderes, vom Bauherrn gewünschtes Büro.
Das BIQ "Algenhaus" |
Selbstbauhaus "Grundbau und Siedler" (links) und "CSH Case Study Hamburg" |
Die Neuen Hamburger Terrassen (im Bild die Häuser für eine Baugemeinschaft von LAN Architecture) |
Ein Naturidyll in der
Stadt
Ein anderes, deutlich positiveres Bild bietet sich abseits
dieses Zentrums, so zum Beispiel am Schlöperstieg mit den „Neuen Hamburger
Terrassen. Unmittelbar angrenzend an den Inselpark ist ein Wohnquartier
entstanden, das zwar von einem eher konservativen städtebaulichen Ansatz
geprägt ist, für die dort überwiegend angesiedelten Familien jedoch ein bezahlbares
Wohnidyll in naturnaher Lage bietet. Zwischen Inselpark, einem naturbelassenen
Entwässerungskanal und einer als intimer Spielstraße angelegten Zugangsweg
liegen Mehrfamilienhäuser unterschiedlicher Architekten und Bauherren.
Bemerkenswert ist der Mehrfamilienhausriegel des Architekturbüros Wallner mit
fein detaillierten Betonplattenfassaden und zwölf Wohneinheiten
unterschiedlicher Typologie, die von studentischem bis barrierefreien
Mehrgenerationen-Wohnen alles ermöglichen. Südlich davon entstanden vier Häuser
(LAN architecture) mit 33 Wohnungen für ein Baugemeinschaftsprojekt mit dem
Schwerpunkt Mehrgenerationen-Wohnen. Hinter den strengen holzverschalten
Fassaden sind ebenfalls Wohnangebote großer Bandbreite zu finden. Die
unterschiedlichen Architekturen harmonieren gut und auf der kleinen, von
Vorgärten arrondierten Anliegerstraße tobt sommers das Leben. Der
Innovationsfaktor dieser Anlage hält sich in Grenzen, dafür ist das
Zusammenspiel von ansehnlicher Architektur und orts- und zielgruppengerechten Städtebau
gut gelungen.
Die modernisierte Arbeiterwohnsiedlung "Weltquartier" |
Neue Chancen für alte
Häuser
Wie man in die Jahre gekommene Arbeiterwohnsiedlung flott
macht, zeigt das „Weltquartier“. Die einst für Werftarbeiter in den 1930ern errichteten
Backsteinbauten des südlichen Reiherstiegviertels, heute im Besitz der
städtischen SAGA, wurden (bei nur minimalen Mieterhöhungen) nicht nur
energetisch saniert (wobei das alte Mauerwerk hinter Dämmungen verschwand und
von zu gleichförmig wirkenden Riemchen ersetzt wurde), sondern auch quantitativ
und qualitativ verbessert (kfs Architekten). Bemerkenswert ist hier das
Verfahren: Nach einer intensiven Befragung und einem aufwändigen
Partizipationsverfahren wurden zahlreiche Wünsche der aus aller Herren Länder
stammenden Bewohner berücksichtigt: familiengerechtere Wohnungen mit mehreren
kleineren und einem größeren Zimmer, Küchen mit Essplatz, großzügige Loggien
etc. Auch der Außenraum wurde (Gestaltung: Sven Andresen) mit Mieter- und
Gemeinschaftsgärten sowie einem neuem Quartiersplatz und einem Bewohnerpavillon
(Architekten: Kunst und Herbert) ansprechend gestaltet. Auch hier ist keine
Architektur- und Städtebaurevolution vollbracht worden, aber die Art und Weise,
wie bei überschaubarem Budget ein Quartier auf die Bedürfnisse der Bewohner
zugeschnitten und Gemeinschaft gestiftet wurde, nötigt Respekt ab. Ergänzt wird
das Quartier durch den „Welt-Gewerbehof“ (Architekten: Dalpiaz + Giannetti):
Ein von lokalen, zumeist migrantischen Händlern genutztes, chaotisches
Gewerbeareal wurde nicht, wie so oft, aus dem Wohngebiet heraus gedrängt,
sondern mit einfachsten Mitteln und neuem Lärmschutz am Ort gehalten und
aufgewertet: Flexibel als Werkstätten, Lager oder Büros nutzbare Boxen stehen
unter einem gemeinsamenDach aus Polycarbonatplatten. So können die Händler und
Handwerker bei jedem Wetter auch draußen werkeln, plaudern oder handeln – eine
neue Chance für lokale Kleinbetriebe und ein wenig Südeuropa im hohen Norden.
Der Energiebunker |
„Stadt im
Klimawandel“: Schein und Sein in der Nachhaltigkeit
Von den Projekten der „Stadt im Klimawandel“ ragt der „Energiebunker“,
nicht nur im Wortsinne, heraus: Die Idee, den teilzerstörten Wilhelmsburger Flakbunker
zu sanieren (HHS Planer + Architekten) und mit Solarthermie, Photovoltaik,
Biomasse- und Blockheizkraftwerk sowie riesigem Warmwasserspeicher zu einer „grünen
Energiezentrale“ mit Café und Aussichtsterrasse umzuwidmen, ist durchaus
innovativ. Der umgenutzte Bunker ist ein Symbolbau für das Projekt einer
nachhaltigen Energieversorgung Wilhelmsburgs, gewiss, aber eines mit Substanz.
Dagegen fällt der noch stadtbildprägendere „Energieberg“ deutlich ab. Die Idee,
die nach Dioxinfunden stillgelegte und abgedichtete Mülldeponie Georgswerder zu
renaturieren und mittels Windrädern zu einem Energieerzeuger zu machen, wurde
bereits in den 1990ern umgesetzt - mit neuen Windkraftanlagen, einer
Photovoltaikanlage und der Nutzung des Deponiegases vervollkommnete die IBA
dieses Projekt lediglich. Einzig die Öffnung des Berges mittels Infozentrum (Konermann
Siegmund Architekten) und Rundweg (Häfner/Jiménez) bedeutet hier einen
substantiellen Fortschritt.
Das Sprach- und Bewegungszentrum für neuartige Therapie- und Lernangebote |
Bauen für die „Bildungsoffensive“
Viel zu wenig Beachtung fanden bislang die herausragenden
Bildungsprojekte dieser Bauausstellung. Früh hat man erkannt, dass die
Verbesserung der Bildungssituation für Kinder und Jugendliche, aber auch die
der Erwachsenen von eminenter Bedeutung für die Aufstiegschancen der zumeist
sozial benachteiligten Bewohner ist. Attraktive Bildungseinrichtungen sind
zudem der Schlüssel um Familien von außerhalb der Elbinsel nach Wilhelmsburg zu
locken. Zu nennen ist das „Haus der Projekte“ (Architektur: Studio NL-D) am
Müggenburger Zollhafen, in dem Jugendliche handwerkliche Fähigkeiten erwerben
und sich so auf das Berufsleben vorbereiten können. Die an eine Werft erinnernde
Gestalt ist kein Zufall, denn im Inneren gibt es eine vollwertige
Bootswerkstatt. Das der Verknüpfung von Sprach- und Bewegungsangeboten dienende
„Sprach- und Bewegungszentrum“ (eins:eins Architekten) gibt sich außen (mit
wunderbaren Recycling-Klinkern aus Brandenburg und bündig eingesetzten
Fensterbändern) präzise und diszipliniert und innen farbenfroh und dynamisch. Die
größte und programmatisch ambitionierteste Projekt ist jedoch das „Bildungszentrum
Tor zur Welt“ von bof Architekten (Freiraumplanung: Breimann & Bruun), in
dem, nach einem Planungsverfahren mit einer ungewöhnlich weitgehenden
Bürgerbeteiligung, verschiedenste Bildungs- und Beratungseinrichtungen
zusammengefasst und vernetzt wurden. Die miteinander verbundenen Bauten sammeln
sich um eine (über eine öffentliche Straße reichende!) Agora und lassen so an
einen Dorfanger denken. Das Innere ist wunderbar offen und multipel nutzbar:
Die mäandrierenden Flure eignen sich mit eigens angefertigten Bänken, Tischen
und Liegen auch zum Lernen, Präsentieren, Spielen; die Klassenräume wirken dank
großer, tief heruntergezogener Fenster hell und freundlich. Die eigentliche
Innovation ist aber die Verbindung von sich ergänzenden und befruchtenden
Bildungs-, Weiterbildungs- und Beratungsangeboten für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene an einem Ort. Dies macht das „Tor zur Welt“ zu einem Bildungszentrum
mit Vorbildcharakter.
Das Bildungszentrum "Tor zur Welt" fasst zahlreiche Bildungs- und Beratungsangebote zusammen |
Eine IBA ist mehr als
Architektur
Die IBA Hamburg hat durchaus zahlreiche innovative und
gestalterisch herausragende Gebäude hervorgebracht. Der überzogene Anspruch von
Kritikern jedoch, eine Bauausstellung müsse aus lauter Experimentalbauten und
Fortschrittsfanalen bestehen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Heutige IBA’s
haben gänzlich andere Aufgaben und Ziele als frühere. Sie sind zu einem Mittel
der Stadtentwicklung geworden, weil sie Ressourcen mobilisieren und so einen
großmaßstäblichen Stadtumbau in neoliberalen Zeiten überhaupt noch möglich
machen. Oberstes Ziel dieser IBA war es, mit vielfältigen (auch baulichen) Mitteln
einen sozialen Wandel in diesem lange stigmatisierten und vernachlässigten
Stadtteil einzuleiten. Dies hat sie geschafft, das werden die nächsten Jahre
zeigen. Eine Marginalisierung der Architektur kann ich darin nicht erkennen.
Claas Gefroi
Alle Fotos: Kröger Dorfmüller Klier
Ich danke den Fotografen herzlich für die Nutzung der Fotos.
Alle Angaben im Text zu den Architekten beruhen
auf Informationen der IBA Hamburg GmbH.
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